«Hausärzte Schweiz» hat zur Vernehmlassung zur KVG-Revision bezüglich der parlamentarischen Initiative «Komatrinker sollen Aufenthalte im Spital und in Ausnüchterungszellen selber bezahlen» Stellung genommen. Der Verband lehnt die vorgeschlagene repressive Politik ab, da zahlreiche effektive und bewährte Programme bestehen. Ziel eines auf Solidarität basierenden Gesundheitswesens muss es schliesslich sein, den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern und nicht zu erschweren.
Der Verband der Schweizer Haus- und Kinderärzte stuft die Folgen exzessivem Alkohol- oder Drogenmissbrauch als gefährliche Probleme der öffentlichen Gesundheit ein – wie die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) auch. Trotzdem kann der Verband die vorliegende parlamentarische Initiative nicht unterstützen. Unabhängig von der Ursache einer Erkrankung gilt im Schweizer Versicherungssystem der Grundsatz der Solidarität. Eine Änderung bezüglich der Eigenfinanzierung bestimmter Behandlungen würde dieses System gefährden. In der Tat wäre es möglich, die Argumentation der Eigenfinanzierung auch auf andere Krankheits- oder Unfallursachen wie Rauchen, Sport oder Übergewicht zu übertragen. Dies würde Tür und Tor zu Ungerechtigkeit und Willkür im Gesundheitssystem öffnen, was der Verband nicht befürworten kann.
Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die aufgrund einer Alkohol- oder Drogenintoxikation als Notfall behandelt werden müssen, bereits heute einen erheblichen Anteil der Kosten für die Notfallbehandlung selber tragen, nämlich die Franchise und einen Anteil der Transportkosten. Auch zielt die Vorlage ausschliesslich auf Jugendliche:. Unter allen 12'160 Hospitalisierungen aufgrund Folgen von Alkohol- oder Drogenkonsum im Jahr 2010 waren jedoch nur 10% unter 23 Jahre alt, die meisten hingegen über 45 Jahre. In 80% aller Fälle bestand zudem eine Verbindung zwischen den Krankenhausaufenthalt und einer Alkoholabhängigkeit.
Der vorliegende Entwurf beinhaltet vor allem das Risiko, dass Menschen mit bescheidenen finanziellen Verhältnissen künftig keine Hilfe mehr suchen. Eine Alkoholvergiftung kann aber unbehandelt zum Tod oder zu schweren gesundheitlichen Problemen führen. Ein Krankenhausaufenthalt bietet vielen Betroffenen die Gelegenheit zur Reflexion und einen Zugang zu unterstützenden Massnahmen. Finanzielle Repressionen werden einen negativen Einfluss auf die Zahl der Krankenhausaufenthalte haben und die Teilnahme an Präventionsprogrammen reduzieren. Die Vorlage zielt zwar darauf ab, die Eigenverantwortung der Trinker zu erhöhen. Es wäre aber vermessen, zu glauben, dass dies durch eine blosse finanzielle Bestrafung gelänge. Wissenschaftliche Daten der WHO oder des «Centers for Disease Control and Prevention» belegen, dass bei der Alkoholprävention vor allem die Beschaffungspreise, die Verfügbarkeit, das Verbot des Verkaufs an Minderjährige, die Rechenschaftspflicht der Wiederverkäufer und frühzeitige Interventionen effektiv sind.